Der neue Silvio

Von Hendrik Achenbach

In diesen Tagen sagen die Leute gerne: "Mensch, das Jahr ist bald schon wieder rum." Stimmt ja auch, aber trotzdem können wir uns in der Band noch nicht auf die faule Haut legen. Nächsten Dienstag steht der nächste Auftritt bei SAP (im Rahmen einer geschlossenen Veranstaltung) an, den unser Präsident Ralf H. organisiert hat. Und am 8. Dezember gibt es wieder das jährliche Konzert für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, das wir Ende November intensiv vorbereiten werden, indem wir in Bad Dürkheim in Klausur gehen (sprich: ein Probenwochenende veranstalten).

Deswegen ist zur Zeit auch wieder ein erhöhtes E-Mail-Aufkommen zu verzeichnen, denn es gibt viel zu klären. Die wichtigste Frage ist natürlich wie immer die nach dem Plakat für das Mitarbeiterkonzert, die uns alljährlich Gelegenheit bietet, endlos über Details zu diskutieren, die wir gar nicht verstehen. Diese Diskussion spitzte sich heute um 10.24 Uhr zu, als unser CGO (Chief Graphical Officer) Frank W. folgendes feststellte:

 

also nachdem dagmar, jens und thomas alle 3 für GELB stimmen (s.u.), hoffe ich, dass das auch bei ralf und hendrik so ist/sein wird. ich werde also heute abend mal einen "gelben" ausdruck für eine finale (kurze?) diskussion mitbringen.

Ich hatte meine Präferenz für "GELB" (die Farbe eines bestimmten Schriftzugs auf dem Plakat) schon vorab angedeutet, so dass alleine diese E-Mail schon dazu führen musste, Ralf in eine einsame Ecke zu stellen, aus der er kaum noch herauskommen konnte. Kurz darauf, nämlich genau um 10.26 Uhr, also zwei Minuten nach Franks Feststellung, kam es aber noch schlimmer. Unser CMO Thomas S. meldete sich zu Wort:

 

so machen wir das wenn unser Allmächtiger Präsident Ralf Silvio B. Hübel nichts dagegen hat :-) ich würde es dann einfach als so ist es Heute Abend verkaufen und nicht noch mal eine Diskussion vom Zaun brechen lassen oder?

Der Wunsch, keine Diskussion mehr zu führen, ist natürlich als rhetorisches Geplänkel einzustufen, denn Thomas ist seit vielen Jahren unser CMO und weiß genau, dass wir über jeden Mist gerne und ausgiebig diskuieren. Der wirkliche Skandal verbirgt sich in den beiden zusätzlichen Vornamen, die er Ralf hier unterschiebt, denn heute Abend stellte sich leider heraus, dass - mit Ausnahme des Präsidenten selbst - niemand diese Anspielung kapiert hat. Niemand. Das ist schon erschreckend, oder? Ich glaube, Thomas wird in nächster Zeit immer eine Partitur von In the Mood griffbereit haben, um bei Bedarf die Reißleine ziehen zu können (die letzte Bemerkung können Sie nur verstehen, wenn Sie entweder ein sehr aufmerksamer Blog-Leser sind oder bei unseren Konzerten extrem gut aufpassen, was der CMO so alles sagt).

 

Obwohl heute Abend eigentlich Generalprobe für nächsten Dienstag war, zögerte unser CMO nicht, auch neue Stücke aufzulegen (zum Beispiel die Gesangsnummer Sway, die nach seiner Aussage "jeder kennt", was wieder mal heißt: "Jeder außer mir"). Genauso wenig wird er zögern, diese neuen Stücke auch am Dienstag beim Auftritt aufzulegen. Unsere wunderbare Sängerin Dagmar K. darf also am Wochenende fleißig Texte lernen, aber was will man bei diesem Wetter auch sonst machen. Überhaupt war die Probe heute Abend sehr gesangslastig, und Dagmar ließ sich bei Teach Me Tonight (der Titel animiert Thomas immer zu total lustigen Assoziationen) sogar zu einem Verbesserungsvorschlag hinreißen: "Ich könnte am Schluss noch ein bisschen HaHaHaHaHa machen". Erstaunlicherweise legte Thomas diesen konstruktiven Vorschlag aber ganz schnel zu den Akten ("Nöö").

 

Leider muss ich auch einen sehr kritischen Punkt ansprechen: Unser CMO drehte dem Trompetensaz heute Abend fast permanent den Rücken zu. Das ist nicht schön. Ich sprach ihn darauf an, aber meine Bedenken wurden leichtfertig ignoriert ("von hinten sehe ich am besten aus"). Was ist da los? Natürlich brauchen die Posaunen und vor allem die Saxofone eine intensivere musikalische Betreuung als wir. Das ist ganz klar, die Trompeten sind da einfach ein ganzes Stück weiter. Teilweise spielen die Holzbläser (kicher) ihre "Hörner" mit einer Hand. Das geht nun wirklich nicht. Aber trotzdem, so ab und zu ein Lächeln vom Chef tut auch den Überfliegern gut. Aber da war nichts, rein gar nichts. Ich finde das ganz schade.

Trotz alledem trafen wir uns noch auf ein Gläschen zur Probennachbesprechung. Dort durfte ich erfreut feststellen, dass es neben uns Ochsen (ich sage nur, Silvio B.) auch gebildete Menschen in der Band gibt. Ich zog nämlich meinen Original-Moleskine-Reporterblock aus der Tasche. Moleskine, Sie wissen es, liebe Leserinnen und Leser, ist das "Notizbuch der europäischen Intellektuellen". Dessen Besitz stellt in meinem Fall natürlich nichts als einen verzweifelten Versuch dar, ebenfalls zu den gebildeten Menschen zu gehören. Während ich einige der Anwesenden mit diesem Utensil an einen Tatortkommisar oder gar Inspektor Columbo erinnerte (der Reporterblock wird nach oben, nicht zur Seite umgeblättert), machte Anna T. genau die richtige Bemerkung: "So einen hatte Hemingway doch auch". Genau! Das ist es! Hemingway hatte einen. Ich habe einen. So fügt sich eins zum anderen. Solche Bemerkungen sind OK, Anna, völlig OK.

 

Bei der Nachbesprechung wurden übrigens entscheidende Weichen für das Gelingen des Probenwochenendes gestellt, indem wir die folgenden Punkte festlegten:

  1. Wir veranstalten nach der Freitagsprobe einen Gin/Tonic-Umtrunk (viel Glück).
  2. Ralf, Toni und Thomas fahren in meinem Auto mit und veranstalten unterwegs eine Kurz-Weinprobe (viel Glück!).

Zu allem Überfluss informierte Edda S. uns heute darüber, dass am Samstag Morgen bis spätestens 9.00 Uhr alle gefrühstückt haben müssen, was vermutlich heißt, dass wir um halb zehn die erste Probe haben werden. Vielleicht sollten wir am Freitag doch lieber auf Pfefferminztee ausweichen. Na ja, was soll's, wird schon schiefgehen und schön werden ...