Klammer 1 ist die neue Klammer 2

Von Hendrik Achenbach

Es lässt sich nicht leugnen: In diesem Jahr haben wir uns aus der Sommerpause zurück in die wundersame Welt des Bigband-Jazz geschlichen. Kein Update im Blog, kein Hallo auf Facebook, nichts. Was ist da los in Walldorf? Eigentlich eine ganze Menge. Schauen wir doch mal.

So ähnlich und doch so verschieden

Zunächst einmal müssen wir über die beiden Auftritte sprechen, die wir nach der Sommerpause bereits absolviert haben. Sie waren sich einerseits ähnlich, andererseits doch sehr verschieden. Am 22. September durften wir im Schwetzinger Schlosspark für die Teilnehmer des Heidelberg Laureate Forums spielen und 2 Wochen später für SAP-Kunden im Rahmen einer Veranstaltung in Darmstadt.

In beiden Fällen haben wir ein komplettes Konzertprogramm absolviert, standen aber dennoch im Schatten anderer Attraktionen, die eher kulinarischer Natur waren. So viel zu den Gemeinsamkeiten. Der Unterschied lag in der Qualitätsrückmeldung an die Band, die durch unseren Bandleader, Thomas S., erfolgte. Während er den Auftritt in Darmstadt als ganz passabel durchgehen ließ, hat er uns für unsere Performance in Schwetzingen derart zusammengefaltet, dass die Nachwirkungen noch in der gestrigen Probe zu spüren waren.

Das Glück vergeht

Besagte Probe begann mit Summer Wind und einer kleinen Enttäuschung. Thomas hatte eine Instrumentalprobe angesetzt, weshalb das Blatt mit dem deutschen Originaltext von Hans Bradtke, das ich voller Vorfreude eingesteckt hatte, um es unserer Sängerin Dagmar K. auf den Notenständer zu legen, nicht zum Einsatz kam. Im weiteren Verlauf des Abends sollte sich der dritte Vers der dritten Strophe ("Ich frage mich, warum das Glück vergeht, so schnell zergeht") aber als geeignete Überschrift für weite Abschnitte der Probe erweisen.

September im Oktober

Schon beim nächsten Stück, September, zeigte das Glück nämlich erste Auflösungserscheinungen, als die Trompeten die berühmte Sechzehntelfigur dieser Nummer alleine und unisono vorspielen mussten.

Unsere überaus charmante Baritonsaxofonistin, Anna T., äußerte sich zwar anerkennend zu unserer Leistung, doch Thomas konstatierte: "So gut war das auch wieder nicht". Er ergänzte seine Bewertung um ein eher zweifelhaftes Kompliment ("Verglichen mit Schwetzingen war es top of the top"), womit die Sachlage eigentlich klar war. Da unser musikalischer Leiter aber stets nach vorne blickt und mit einer positiven Grundeinstellung darüber nachdenkt, welchen Verbesserungsspielräume ausgelotet werden können, begann er wenig später, das Arrangement in seine Bestandteile zu zerlegen, was sich in umfangreichen Bleistiftnotizen unsererseits manifestierte. Wir kamen allerdings nicht ohne Radiergummi aus. Das Ganze hatte nämlich keinesfalls das Ziel, uns die Interpretation zu erleichtern, sondern zielte darauf ab, die Qualität des Arrangements zu verbessern. Solche Aktionen öffnen natürlich Tür und Tor für Fehler, die durch den Bandleader geahndet werden müssen.

Ich weiß genau, was mit mir passieren wird, wenn ich beispielsweise vergessen sollte, dass die Klammer zwei am Ende des Stücks durch Klammer eins ersetzt wurde. Und ich werde es vergessen, so viel steht fest. Wenn es um Notenblätter geht, sind alle Bleistifte und Textmarker dieser Welt sind nicht genug, um einen dauerhaften Eindruck in meiner Wahrnehmung zu hinterlassen.

Ergötzt euch

Beim nächsten Stück richtete sich der Fokus glücklicherweise auf den Posaunensatz. The Four of Us wird seinem Titel gerecht, indem es für jeden der vier Posaunisten eine solistische Einlage vorsieht. Diese sind erst abwechselnd im Kreis und dann sogar gemeinsam vorzutragen. Thomas forderte die Kollegen in diesem Zusammenhang wieder einmal dazu auf, sich "daran zu ergötzen, wie geil das klingt" - das ist eine seiner festen Redewendungen, die er aber in der Regel auf die Posaunen anwendet. Diese Tatsache muss natürlich als höchst verdächtig eingestuft werden. Es wird sicher jeder Verständnis dafür haben, dass er sich mit solchen Aussagen zurückhält, wenn es um Holzblasinstrumente geht. Da müssen wir uns einfach erhobenen Hauptes dazu durchringen, mit zweierlei Maß zu messen. Es ist nicht dasselbe wie Blech. Punkt. Und das hat auch gar nichts mit der traditionellen Rivalität zwischen Trompeten und Saxofonen zu tun, die wir in der SAP Big Band pflegen. Oder vielleicht doch. Aber wie dem auch sei, die Trompete ist ja nun wirklich das ultimative Ergötzungsinstrument. Warum sagt er so etwas nicht zu uns?

Während der Soloeinlagen von Bernd S. mussten wir übrigens befüchten, dass der Proberaum, den uns das Musikhaus Session zur Verfügung gestellt hat, weil bei SAP umgebaut wird, bleibenden Schaden davontragen würde. Bernd setzte die Empfehlung des Bandleaders nämlich mit großer Energie um und ergötzte sich mit einer derartigen Leidenschaft am Klang seines Horns, dass sich das Dach der Halle eigentlich hätte heben müssen. Aber auch die anderen Mitglieder des Posaunensatzes durften sich beweisen und haben sich sicher gefreut, als Thomas laut überlegte, wie man den Soloteil des Stückes ausbauen könne. Er schloss seine Überlegungen wie folgt: "Ich bin mir fast sicher, dass wir das länger machen können." Wir dürfen uns also alle freuen.

Es riecht nach Arbeit

Den Titel des nächsten Stücks verrate ich noch nicht, kann Ihnen aber für eines der kommenden Konzerte ein ganz besonderes Highlight versprechen. Während wir zur Zeit sehr viel Swing spielen, mutete diese Nummer schon bei den ersten Klängen eher soulig, rhythm-and-bluesig an. Wenn ich solche Eindrücke schildere, ist das natürlich nicht unbedingt von großer musikalischer Sachkenntnis geprägt, aber Thomas bestätigte nach dem ersten Durchgang zumindest, dass ich nicht völlig danebenlag. "Das geht eher nach vorne", sagte er. "Angeshuffelt." Was auch immer das genau bedeuten mag, ist zweitrangig. Das Stück hat Potenzial (sagte der Bock zum Gärtner). Dummerweise habe ich aber kaum einen Ton richtig gespielt und sehe sehr viel Arbeit auf mich zukommen.

Die Nacht ist kurz

Es gäbe noch so einiges zu berichten. Da wären zum Beispiel:

  • Der präsidiale Wutanfall von Ralf H. ob des Schlendrians, der sich wieder einmal in der Band ausgebreitet hat, was das Mitführen einer vollständigen Notenmappe angeht.
  • Die Tatsache, dass ich Frank W. bei dieser Probe zwar nicht am Piano, wohl aber als Notenwart vertreten musste und beim Zusammenpacken der Notentüten ein mittelschweres Chaos angerichtet habe.
  • Das Posaunenfeature bei On the Sunny Side of the Street. Ich fühle mit unseren Blechblasbrüdern. Das in naher Zukunft anstehende Probenwochenende wird für niemanden einfach werden, aber hier sehe ich eine besondere Leidensfähigkeit gefordert.

Doch halten wir inne. Die Nacht ist kurz und es gibt ja noch ganz andere Geschichten zu erzählen, Bücher zu schreiben und Weine zu trinken. Deswegen wollen wir uns mit dem Gesagten bescheiden und freuen uns auf ein Wiedersehen.

Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    Anna T (bari Sax) (Freitag, 17 Oktober 2014 08:55)

    Ich glaube Thomas hatte Flöhe im Pelz an Mitt. In die Probe - ich fandet Euch Trompetern an den bestimmte Stelle richtig gut - ich muss es einfach nochmals betonen - und dies obwohl ihr unsere ( die Saxophonen) größte Rivalen sein…