Die beste Zeit des Jahres

Von Hendrik Achenbach

In diesen Tagen trifft man immer wieder auf Menschen, die dem Sommer nachtrauern und deswegen nur eingeschränkt fröhlich sein können. Ich selbst zähle mich eindeutig zu diesem Personenkreis. Wie schön war es doch, sich die Augustsonne auf den Pelz brennen zu lassen und sorgenfrei in den blauen Himmel zu blinzeln. Wie hat uns die Grillwurst und die Rieslingschorle (mit ganz viel Blubber, extra für unsere Sängerin Dagmar K.) geschmeckt. Und nun? Dunkle Abende auf dem Sofa mit schwarzem Tee und trüber Stimmung? Vielleicht nicht! Abgesehen vom Wetter - der goldene Oktober hat ja durchaus noch die Chance, seinem Beinamen alle Ehre zu machen - beginnt zumindest für die Musikerinnen und Musiker der SAP BIG BAND die beste Zeit des Jahres.

Wo kommen wir her?

Zunächst einmal dürfen wir uns durchaus das gute Gefühl gönnen, einige erfolgreiche Auftritte absolviert zu haben. Alleine im Monat September standen wir innerhalb von fünf Tagen dreimal auf der Bühne und durften bei Kultur im Park in Mannheim, bei einem Heimspiel auf der Walldorfer Seebühne und schließlich bei einem Sekt-und-Swing-im-Sonnenschein-Gig im Schwetzinger Schlossgarten Hunderte von Menschen mit klassischem Bigband-Jazz in den Spätsommer begleiten.

Sekt und Swing im Sonnenschein
Sekt und Swing im Sonnenschein

Wo gehen wir hin?

Das ist aber natürlich nicht alles. Der Blick zurück und das Gefühl, etwas geschafft zu haben, reichen sicher nicht aus, um fröhlich durch die dunklen Monate zu kommen. Wie gut ist es da, dass der wichtigste Auftritt des Jahres noch vor uns liegt! Die Rede ist natürlich vom Jahreskonzert für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von SAP und deren Familien, das am 28. November stattfinden wird. Heute begann die Vorbereitungsphase für diesen wichtigen Termin. Und damit nicht genug: Wir alle dürfen uns darauf freuen, Ende Oktober ein ganzes Wochenende mit der Band zu verbringen, um fleißig zu üben und kräftig zu feiern. Aus musikalischem Blickwinkel betrachtet, beginnt die beste Zeit des Jahres also tatsächlich gerade erst. Diese Erkenntnis war Grund genug, heute Abend mit einem Lächeln im Gesicht zur Probe zu gehen, was einigen Musikerinnen und Musikern auch schon ganz gut gelang.

Comes Love

Es ging dann auch gleich los mit einem neuen Gesangsstück (Comes Love), das in der vergangenen Woche in Abwesenheit unseres Bandleaders Thomas S. - bei einer "Durchspielprobe", die in letzter Zeit immer mehr in Mode kommen - zum ersten Mal auf den Notenständern lag und heute dann mit Bandleader, aber dafür leider ohne Sängerin, im Detail durchgenommen werden sollte.

Nachdem wir das Intro gespielt hatten, winkte Thomas ab und meinte: "Klingt ja super, gleich weiter bei A." Nun muss man wissen, dass Thomas in den vergangenen Jahren wohl noch nie "klingt ja super" gesagt hat, wenn es super geklungen hat. Gelingt uns eine überzeugende musikalische Darbietung, lässt er sich im Extremfall zu einem "not bad, not bad" hinreißen, aber mehr ist da nicht zu holen. Deswegen ging es natürlich nicht gleich weiter bei A.

Zunächst mussten die Trompeten und Posaunen im Doppelpack antreten, um das Intro zu erlernen. Ich kann in diesem Zusammenhang ganz wertfrei berichten, dass die Trompeten irgendwann pausieren durften und die Posaunen noch einmal alleine vorspielen mussten. Auch den Kommentar des Bandleaders zitiere ich ohne Häme: "Was ist los, Posaunen? Normalerweise seid ihr etwas sicherer in solchen Sachen." Man kann eben nicht immer gewinnen. Manchmal aber eben doch, denn die Saxophone mussten das Intro nur ein einziges Mal alleine vorspielen, bis Thomas zufrieden war. Das ist eine beachtliche Leistung, wobei ich an dieser Stelle schon verraten kann, dass das Glück der Saxophone nicht lange währte.

Bevor wir die Nummer zur Seite legten, verkündete Thomas sein abschließendes Urteil: "Sehr kurz, aber sicher super. Wir müssen nur lernen, es richtig zu spielen."

Anticipation

Das zweite Stück des Abends war ebenfalls ein neues Arrangement, das nicht nur für uns neu war, sondern tatsächlich erst vor kurzer Zeit entstanden ist. Chris Perschke hat schon mehrere fantastische Arrangements zu unserem Bandbook beigesteuert und sein neuester Beitrag, basierend auf einer Komposition unseres Bandleaders, heißt Anticipation. Thomas spielte nach dem ersten Durchgang seine Version des Stücks auf dem iPhone vor, um zu demonstrieren, dass wir noch eine weite Strecke zurücklegen müssen, um der Idee von Anticipation gerecht zu werden. Aber wir müssen auf dem Probenwochenende ja auch noch etwas zu tun haben. Ich persönlich konnte in unseren Versuchen zumindest schon harmonische Anklänge an das Original entdecken und bin sicher, dass wir auf einem guten Weg sind.

Einmal Öko, immer Öko?

Viel bedenklicher dagegen erscheint mir eine andere Entwicklung. Insider wissen, dass Thomas S. nicht nur meine zweifelhafte Entwicklung als Trompeter seit Jahren begleitet, sondern auch immer wieder mit kritischen Rückmeldungen zu meiner Frisur, meiner Figur und meiner Kleidung unterstützend ins Geschehen eingreift. Er will nur das Beste, davon bin ich überzeugt. Umso nachdenklicher stimmt mich, dass er mich heute Abend nicht nur für meine Schuhe lobte (die er mir selbst geschenkt hat), sondern leider zum wiederholten Male die Ansicht äußerte, dass ich in letzter Zeit ein bisschen "ökomäßig" unterwegs sei. Schauen wir uns doch einmal die folgenden Bilder an, um den Wahrheitsgehalt dieser Aussage zu überprüfen:

Damals und heute

Im Wesentlichen arbeitet Thomas sich ja an meiner neuen Halskette ab, die zugegebenermaßen zu 97 % aus Leder besteht, aber - bei allem Sinn und Verständnis für die Ökologie - trotzdem nicht als grünes Statement gedacht war. Ich muss zu dieser Fragestellung unbedingt eine weitere Meinung einholen, um sicherzugehen, dass sich hier keine rückschrittliche Entwicklung einschleicht. 

Toni, Anna und die Perlenkette

Die zweitletzte Nummer des Tages, Three and One, ist nicht ganz einfach zu spielen, aber im Satz sicher irgendwie zu meistern. Richtig schwierig dagegen ist die Soloform, bei der zuerst das Baritonsaxophon und dann das Flügelhorn zum Einsatz kommt. Hier stehen Akkordfolgen (in der Sprache der Jazz-Musiker "Changes" genannt) auf dem Papier, die mir persönlich nach langem Hinschauen immer noch nichts sagen, es aber von den Solisten verlangen, blitzschnell zu berechnen, welche Töne zu B-Moll-7 oder einer ähnlich exotischen Tonart passen.

Nach dem ersten Versuch, den Anna T. am Bariton ablieferte, fragte Thomas vorsichtig: "Hast du geübt?" Anna antwortete ohne zu zögern: "Es kommt einfach so aus mir raus, wie an einer Perlenkette." 

Toni und Anna (mit Perlenkette)
Toni und Anna (mit Perlenkette)

Dem hatte selbst unser erfahrenster Solist, Konsul Toni D., nichts entgegenzusetzen, obwohl er natürlich wie gewohnt eine respektable Leistung ablieferte. Vielleicht sollte er auch eine Kette tragen? Wobei dann natürlich die Gefahr bestünde, von gewissen Leuten als Öko bezeichnet zu werden. Aber dieses Risiko muss jeder selbst tragen.

Bevor Three and One wieder in den Notenmappen verschwand, beendete Thomas das eingangs erwähnte Glück der Saxophone, indem er ihnen eine Interpretation bescheinigte, die zwar "schon sehr, sehr gut", aber "leider auch sehr weit weg vom Original" gewesen sei. So bekam heute Abend jeder sein Päcken zu tragen. Aber wir beschäftigen unseren Bandleader ja auch nicht, damit er Bonbons verteilt, sondern um musikalisch weiterzukommen.

Das letzte Stück des Abends war und ist einfach zu lang, um es an dieser Stelle noch zu kommentieren, denn auch dieser Bericht ist schon wieder viel zu ausführlich geraten. Wir melden uns bald wieder - spätestens nach dem Probenwochenende. Bis dahin lassen Sie uns gemeinsam fröhlich in die beste Zeit des Jahres gehen.