Das Licht am Ende des Tunnels

Von Hendrik Achenbach

Nachdem der Probenbericht im Februar auf Grund einer Reise in das zweitbevölkerungsreichste Land der Erde und anderer, literarischer Aktivitäten leider ausgefallen ist, muss ich mich heute beeilen, damit die Tore des März sich nicht auch noch vor meiner Nase schließen. Mit nur vier Stücken erscheint die heutige Probe auf den ersten Blick wie ein Leichtgewicht, von dem es nicht viel zu erzählen gibt. Aber schauen wir uns diese vier Titel doch mal genauer an.

Die Sendung mit der Maus

Unser CMO Thomas S. wusste mit der Auswahl des ersten Stücks zu überraschen, denn diese Nummer hatten wir schon lange nicht mehr gespielt. Dies bedeutete natürlich, dass die entsprechenden Notenblätter in den meisten Mappen ziemlich weit auf den Boden gesunken waren, denn viele Musikerinnen und Musiker in der Band verwenden statt des Alphabets eine umgekehrte chronologische Sortierung.

Als das große Suchen losging, verblüffte Thomas uns mit dem ebenso einfachen wie genialen Vorschlag, dass wir "einfach dazu übergehen können, dass jeder alle Noten hat". Sensationell. Da schlagen wir uns seit Jahren - Jahrzehnten gar - mit dem Problem der fehlenden Noten herum, und dann kommt so ein locker-flockiger Mittdreißiger und präsentiert ganz mühelos die Lösung. Ab nächster Woche machen wir das einfach so. Trotzdem musste der zukünftige Ex-Notenwart (brauchen wir ja nicht mehr) Frank W. heute noch mal die gelben Original-Notenblätter austeilen. Ich will ja nicht hetzen, aber es war schon auffällig, dass in der ersten Reihe, bei unseren Freundinnen und Freunden von den Saxofonen, alles gelb war. Hmmm. Das wird nicht einfach für die Holzbläser.
Nach dem ersten Durchgang des Stücks kratzte Thomas sich nachdenklich am Kinn und stellte fest, dass da "schon unglaublich viel Schönes dabei war", ließ uns die Nummer aber trotzdem noch einmal spielen. Und hier geschah dann etwas, das ich persönlich unglaublich schade finde. Unser Präsident Ralf H., mit dem ich mir die 3. Trompetenstimme teile, setzte an einer entscheidenden Stelle viel zu früh ein, ich ließ mich beeinflussen, und zack! spielten wir so falsch, dass der CMO böse gucken und uns mit energischen Armbewegungen wieder auf die Spur bringen musste. Ansonsten hätte es eine makellose Performance werden können. Es ist bitter, so zu scheitern. Damit war aber die Richtung vorgegeben, und es ging stetig weiter bergab.

Trombone

Bevor wir zum nächsten Stück übergehen, soll nicht unerwähnt bleiben, dass einige von uns aber auch etwas Schönes erleben durften. Im ersten Drittel der Probe war nämlich nur ein Posaunist anwesend (Bernd S.), so dass Thomas ihn kurzerhand in den Trompetensatz eingliederte. Das muss ein tolles Erlebnis gewesen sein. Konsul Toni D. (2. Trompete), der nie um ein griffiges Wort zur rechten Stunde verlegen ist, bezeichnete das Ganze in Anlehnung an den Flugverkehr als "Upgrade". Noch besser wurde das Ganze, als mit Stefan P. schließlich doch noch ein zweiter Posaunist auftauchte und sich ebenfalls in die Business Class mogelte. So spielten die Blechbläser heute Abend in schönster Eintracht miteinander, während die Holzbläser uns wie üblich den Rücken zukehrten.

A Sunbathe Date Byte

Natürlich heißt das nächste Stück eigentlich ganz anders. Ich musste den Titel verschlüsseln, weil er Rückschlüsse auf das neue Programm zulässt, das wir wie immer im Laufe des Jahres erarbeiten und zum krönenden Abschluss im Rahmen eines Mitarbeiterkonzerts bei SAP vorstellen werden. Deswegen habe ich die Buchstaben ein wenig anders angeordnet.
Den ersten Durchgang kommentierte unser CMO, auf die Satzproben der letzten Woche Bezug nehmend, wie folgt: "Man merkt, dass ihr es euch angeschaut habt." Das ist nett von ihm, aber ich persönlich habe nichts davon gemerkt. Ich konnte mich zwar an die Satzprobe erinnern und daran, dass ich - wie in jeder Satzprobe - vom hohen G aufwärts ein schmerzhaftes Knacken im linken Ohr hatte, aber die intensiven Studien, die Lead-Trompeter Michael K. dort mit uns durchgeführt hat, haben leider keine Spuren zwischen den Ohren hinterlassen. Das wurde schon beim ersten Durchgang ganz deutlich. Wenig später gelangte Thomas dann auch zu einer anderen Bewertung und sagte: "Es ist besser, euch nichts zuzutrauen. Dann ist man hinterher nicht enttäuscht." (Betretenes Schweigen)

Trotzdem arbeitete er intensiv mit uns amSunbathe Date Byte, und während dieser Bemühungen ereignete sich ein Zwischenfall. Thomas erläuterte, wie eine bestimmte, schwierige Stelle zu spielen sei. Zur gleichen Zeit sah es zumindest von meiner Position so aus, als ob Ralf H. und Toni D. über die silberne Trompete fachsimpeln würden, die Thomas mitgebracht hatte, um Ralf das schmutziggoldene Instrument abzuluchsen, dass er ihm vor Jahren verkauft hat. Nun ist es aber leider streng verboten, Gespräche zu führen, während Thomas etwas erklärt, und so unterbrach der CMO die beiden:

Thomas: "Herr Hübel, wir wissen, dass du das kannst. Möchtest du es mal vorsingen?"
Ralf: "Ich habe mit mir selbst geredet."
Thomas: "Aha. Und dabei den Anton angeschaut. Und der Anton hat auch noch so getan, als ob er dir zuhört."

Ralf versuchte, durch weitere Argumente aus dieser brenzligen Situation herauszukommen, aber Sie können sich denken, wie die Sache ausging. Breiten wir den Mantel des Schweigens darüber aus und schauen wir uns lieber die Sauerei an, die der Arrangeur ab Takt 115 für die Trompeten vorgesehen hat.

Takt 115

Sieben Kreuze! Ich muss ungedingt nachschlagen, wie die Tonart heißt, aber das ändert nichts daran, dass mir dieser Teil des Stücks für lange Zeit zum Tontaubenschießen geraten wird. Ab und zu mal ein Treffer.

Sepsis Month

Auch beim Titel des nächsten Stücks müssen Sie nicht krampfhaft überlegen, ob Sie ihn kennen oder gar eine Blutvergiftung befürchten - es handelt sich wieder um eine Verschlüsselung, um das Thema unseres neuen Programms nicht schon im März zu verraten. Als die Nummer auf den Notenständern lag, raufte unser CMO sich die Haare und fragte in die Runde: "Wie geht denn die Melodie noch mal?" Daraufhin erklang eine silberne Trompete im Foyer des Schulungszentrums und rief uns die bekannte Tonfolge in Erinnerung. Thomas blickte überrascht auf und fragte: "Hendrik, warst du das?" Ach wie gerne, allzu gerne hätte ich "ja" gesagt! Einmal möchte ich von ihm zu Recht anerkennend angeschaut werden. Doch ich war es leider nicht. Wer hatte da die Gunst der Stunde genutzt und die Trompete schneller zum Mund geführt? Natürlich, wie könnte es anders sein, mein ewiger Konkurrent und Widersacher Ralf H. Auf der anderen Seite hatte er ja auch etwas gutzumachen. Schwätzen in der Probe. Tststs. Das macht man einfach nicht.
Aber wie dem auch sei, wir wagten den ersten Durchgang des Stückes und begannen dann mit der Detailarbeit. Zwischendurch gab es kurz Verwirrung, weil Thomas uns aufforderte, in Takt 95/83 anzufangen, doch als sich dies aufgeklärt hatte, wurde es richtig anstrengend. Komischerweise nickten um mich herum alle begeistert mit den Köpfen und murmelten etwas von einem "tollten Arrangement", während ich ernsthaft über den Wechsel zur passiven Mitgliedschaft nachdachte. So viele Gelegenheiten, in die Pause zu spielen, habe ich selten gehabt und genutzt. Treue Leser dieses Blogs wissen, dass ich ein B-Trompeter im wahrsten Sinne des Wortes bin. Vor mir liegt also ein steiniger Weg. Aber ich bin sicher, es wird auch in diesem Jahr gutgehen und im Dezember werde ich strahlend auf der Bühne des Schulungszentrums stehen und endlich das Licht sehen können.

I'm Beginning To See The Light

Die letzte Nummer des Abends, an der bekanntlich kein Geringerer als Duke Ellington mitgeschrieben hat, lag in einem Instrumentalarrangement von Gordon Goodwin auf. Seit Ralfs legendärem Radiointerview, in dem er letztes Jahr plausibel erklärte, wo unsere Stärken liegen ("Swing können wir einfach"), gehen uns solche Nummern natürlich leicht von der Hand. Außerdem haben Ralf und Gordon ja damals zusammen an der Westküste (oder war es die Ostküste?) studiert, was für zusätzliche Motivation sorgt, solche Nummern besonders gut zu spielen. Selbst mir gelang das Stück einigermaßen, so dass der Abend nach den schwierigen neuen Stücken doch noch versöhnlich endete. Also: Alles wird gut. Bis bald.