Jazz ist schwer

Von Hendrik Achenbach

Eigentlich gibt es keinen vernünftigen Grund anzunehmen, dass sich eine Gruppe von 25 mehr oder weniger erwachsenen Menschen von Grund auf ändert, nur weil sie ein paar Wochen lang nicht als Gruppe zusammenkommt. Trotzdem stelle ich nach der ersten Probe im Jahr 2012 nicht ohne eine gewisse Faszination fest, dass es mittlerweile einige Grundwahrheiten gibt, die zur SAP BIG BAND gehören wie das Blätter-Einspeicheln-und-Weichlutschen zum Saxofonspielen.

Man muss nicht ständig nett zueinander sein

Zu Beginn der Probe wurde kolportiert, dass die Posaunen in der vergangenen Woche eine Satzprobe durchgeführt haben, obwohl zu diesem Zeitpunkt offiziell noch Winterpause herrschte. Die Ermittlungen laufen noch, aber wenn diese Probe tatsächlich stattgefunden hat, sehe ich das Amt der Posaunen in der Band ernsthaft beschädigt. So eine Verhaltensweise wäre mit der Würde des Posaunenamtes unvereinbar und müsste zum Rücktritt führen. Ich fordere eine lückenlose Aufklärung. Doch was treiben die Posaunen stattdessen? Unfug. Schauen Sie sich einmal das folgende Foto an, das ich heute Abend aufgenommen habe:

Dämpfer als Getränkebecher

Unglaublich, oder? Da hat jemand den Dämpfer in meinem Trompetenkoffer als Halter für seinen Getränkebecher zweckentfremdet. Verantwortlich dafür ist natürlich Posaunist Helmut G. Anstatt froh zu sein, den ganzen Abend neben einem Trompetenkoffer stehen zu dürfen, verunglimpft er die Königin der Instrumente auf diese Weise. Allerdings muss man zu seiner Entschuldigung erwähnen, dass er es heute Abend auch nicht gerade leicht hatte. Als Helmut ganz überraschend mit geringfügiger Verspätung zur Probe erschien, arbeiteten wir bereits am ersten Stück (Hava Nice Day). In den letzten Takten spielte Tenorsaxofonistin Anja R. ganz selbstbewusst in die Pause. Als unser CMO Thomas S. sie zur Rede stellte, erklärte Anja, dass sie lediglich für Helmut eingesprungen sei, der an dieser Stelle sonst immer daneben liegen würde. Eigentlich ist es schade, dass die Rhythmusgruppe bei dem Kleinkrieg der Bläsersätze nicht mitmacht und immer so brav in der Ecke steht. Daran sollten wir in diesem Jahr arbeiten.

Entschuldigungen zählen nicht

Unsere Sängerin Dagmar K. gehört nun schon seit einiger Zeit zur Band, hat bereits eine CD maßgeblich mitgestaltet und ist immer dabei, wenn es darum geht, neue Stücke ins Repertoire aufzunehmen. Auch heute Abend gab es eine neue Nummer: Abracadabra von der Steve Miller Band. Beim ersten Durchspielen waren wir etwas irritiert, weil die Melodie komplett fehlte, aber als Dagmar beim zweiten Durchgang mitsang, wurde deutlich, dass dies eine extrem coole Nummer sein könnte, wenn wir lernen würden, sie richtig zu spielen. Als es zwischendurch mit der Textverteilung ein wenig hakte, konnte Dagmar dies eigentlich recht plausibel begründen, wurde aber trotzdem darüber belehrt, dass "Gewinner immer einen Plan haben", während "Verlierer sich mit Ausreden, Entschuldigungen oder Bemühungen zufrieden geben müssen". Zack. So sieht das aus. Wir machen das ja schließlich nicht zum Spaß. Vermutlich hätte Dagmar sich einfach die Anweisung zu Herzen nehmen müssen, die im Notenblatt der Lead-Trompete notiert war: "Don't kack".

SOLO - DON'T KACK

Thomas S. und Ralf. H sind ein Dream Team

Bei den Stücken, die unser CMO Thomas S. heute Abend auflegte, handelte es sich um eine heterogene Zusammenstellung, die nicht unbedingt unser neues Programm bestimmen wird (Have Nice DaySussudioAbracadabraMakin' Whopee, Minuano). Trotzdem hatte Thomas einige Informationen über das Programm für 2012 parat:

 

Thomas: "Das neue Programm steht noch nicht endgültig fest, aber wir haben uns ja für das Thema |||||||||||||||||||||||||| (Schwärzung durch die Redaktion) entschieden.

Ralf: "Echt?"

Thomas: "Ja."

 

Zeigt dieser im Plenum vorgetragene Dialog nicht exemplarisch, wie vorbildlich unsere Doppelspitze funktioniert? Blindes Vertrauen stößt auf taube Ohren. Die beiden müssen sich gar nicht mehr abstimmen, es geht auch ohne. Ich denke, mit solchen Führungskräften kann es nur ein erfolgreiches Jahr werden.

Jazz ist schwer

Ich habe mich gar nicht gut gefühlt, als Thomas heute Abend Minuano auflegen ließ. Eigentlich ist es ein fantastisches Stück (wir haben es auf dem Album the (c)art of grooveaufgenommen), bietet aber leider in 449 Takten etwa 448 Gelegenheiten, in die Pause zu spielen oder aus dem Rhythmus zu geraten. Als wir das Stück vor acht Jahren aufgenommen und aufgeführt haben, hätte ich vor lauter Verzweiflung beinahe aufgegeben. Mal sehen, wie das diesmal gehen wird, aber schon heute wurde mir bei einem Schnelldurchlauf wieder mehr als deutlich, dass ich keine musikalische Einzelausbildung genossen habe. Wie denn auch? Wir hatten ja nichts. Damals. Ich fürchte, Thomas hat schon beschlossen, die Nummer wieder bis zur Aufführungsreife zu proben. Das wird ein Tal der Tränen für mich. Mir fällt im Moment kein anderer Ausweg ein, als unseren CMO mit Zigarren, Rotwein und Geldgeschenken auf andere Ideen zu bringen. Warum muss Jazz eigentlich so schwer sein?

Keiner versteht, was Ralf will

Unser Präsident Ralf H. führt nicht nur die Geschäfte der Band mit ruhiger Hand, sondern stellt auch eine feste Größe im Trompetensatz dar. Bei einer der ersten Nummern, die wir heute Abend spielten, wurde ihm plötzlich bewusst, dass die Stellordnung trp 2 | trp 1 | trp 4 | trp 3 (aus Sicht des Bandleaders von links nach rechts) nicht optimal war. Also organisierte er - die Zustimmung des Leadtrompeters Michael K. vertrauensvoll voraussetzend - mitten im Stück flugs einen kleinen Umzug, versuchte (leider erfolglos), durch einen Ringtausch der Notenblätter einen Austausch der Notenständer zu verhindern, musste diesen dann schließlich doch durchführen und zwang Thomas S. auf diese Weise, das Stück abzubrechen. Anschließend analysierte er wie immer blitzschnell, was da gerade geschehen war und kam zu folgendem Ergebnis: "Keiner versteht, was ich will." Trotzdem versuchte Ralf immer wieder, mit der Band ins Gespräch zu kommen ("Kann ich jetzt meine Ansprache halten?") und schaffte es schließlich, Thomas S. für einige Minuten aus dem Mittelpunkt zu verdrängen. Dort zauberte er ein dreifarbiges Spreadsheet auf den Bildschirm seines Laptops und referierte flüssig über den aktuellen Stand der Auftrittsplanung. Es zeigte sich, dass schon einige Gigs feststehen und wir uns auf ein spannendes musikalisches Jahr freuen können. Wir verstehen zwar manchmal nicht, was Ralf will, aber - das ist ganz klar und genauso gemeint, wie ich es sage - wir können wirklich froh sein, dass wir ihn haben und er sich um die Band kümmert.