Bloß nicht zu zaghaft: Zeit für eine neue CD

Von Hendrik Achenbach

Am Wochenende ist es endlich soweit: Die Band trifft sich für zwei Tage im Aufnahmestudio, um eine neue CD einzuspielen. Wir haben viel geprobt, um dieses Ziel zu erreichen. Jetzt wird sich zeigen, ob es gereicht hat.

Ein höchst interner Weckruf

Wenn ich mir die Probenarbeit der letzten Wochen und das Feedback unseres Bandleaders anschaue, meine ich, eine erfreuliche Entwicklung ausmachen. Wenn etwas besser wird, heißt das aber natürlich auch, dass es vorher nicht so gut war.

 

Nehmen wir zum Beispiel die Probe am 19. Februar: Um einige Feinheiten herauszuarbeiten, trafen sich die Bläser (also Trompeten, Posaunen und Saxophone) in einem anderen Raum als die Rhythmusgruppe. Unser Bandleader Thomas S. zeigte sich bei manchen Stücken tatsächlich auch schon vorsichtig zufrieden (er murmelt dann immer: "not bad, not bad"). Also war doch alles gut, oder? Nun ja. Die anwesenden Bandmitglieder spielten zwar offensichtlich nicht schlecht, aber was war mit denen, die fehlten? Denn das waren einige. Natürlich kann in einer Amateurband nicht jeder immer da sein, aber gerade eine gelungene Probe lässt zu große Lücken in den Reihen wie eine verpasste Chance erscheinen.

 

Dementsprechend eindringlich klang die E-Mail, die Thomas wenig später an die Musikerinnen und Musiker schickte. Wörtliche Zitate aus diesem höchst internen Dokument sind wie immer nur gegen die Überweisung einer extrem hohen Geldsumme auf das Bigband-Konto möglich. Zusammenfassend lässt sich aber sagen: Das Schreiben rüttelte uns so richtig wach und machte deutlich, dass eine CD-Aufnahme kein Wochenendausflug ist. Wenn man sich anschaut, was so ein Projekt kostet, müsste das eigentlich sowieso jedem klar sein.

Thomas gibt uns nicht auf

Die Anwesenheitsquote in der Probe am 26. Februar war schon besser, aber wenn die Band in Vollbesetzung antritt, steigt natürlich auch der Quatschfaktor. Die Anwesenheit des Bandleaders und der offizielle Probenbeginn werden erst mal nicht so ernst genommen, denn es gibt ja viel zu besprechen. So gingen Thomas' Erläuterungen zum ersten Stück im Rauschen unter. Aber wer nicht zuhört, begibt sich in Gefahr. "Ihr hattet die Chance", so der musikalische Leiter. "Wenn es schiefgeht, gibt es Ärger."

 

Natürlich ist dann etwas schiefgegangen. Und natürlich hat es Ärger gegeben. Und trotzdem gab es auch in dieser Probe wieder viele Tipps fürs Studio, denn Thomas hat uns bisher ja noch nie aufgegeben. Ein wichtiger Ratschlag lautet: Nicht zu zaghaft spielen! Wer nur alle zwei bis drei Jahre in ein Studiomikrofon spielt, lässt sich oft einschüchtern und spielt die Stellen, die er kann, schön laut, um bei den schwierigen Stellen abrupt auf ein pianissimo auszuweichen. Auf der einen Seite hat es natürlich Seltenheitswert, von dieser Band wirklich leise Töne zu hören, aber wenn nur einzelne im Flüsterton spielen und irgendwann plötzlich wieder ganz laut werden, kriegt der beste Toningenieur kein ausgewogenes Klangbild hin. Also lautet das Motto: Lieber selbstbewusst und mit Risiko als zaghaft und zögerlich spielen.

Jetzt wird es ernst

Das Studio ist gebucht, das Mittagessen ist bestellt und das CD-Programm steht endgültig fest. Gestern trafen wir uns dann zur Generalprobe. Thomas erklärte uns eindringlich, dass es unser Ziel sein müsse, die Stücke mit ein oder zwei Takes im Kasten zu haben, denn jeder weitere Versuch koste Kraft, die nachher fehle. Zwei Tage am Instrument sind tatsächlich eine lange Zeit - besonders natürlich für uns Trompeter, denn die Königin der Instrumente ist anspruchsvoll und fordert alles von dem, der sie küsst.

 

Die Probe begann mit Gesangsnummern wie The Look of Love oder Teach Me Tonight. Beide Stücke mussten wir nur ein einziges Mal spielen, um von Thomas Bemerkungen wie "Wenn wir es so spielen, bin ich zufrieden", "Kriegen wir hin" oder - Sie ahnen es schon - "not bad, not bad" zu hören. Die Stimmung stieg, und Zuversicht machte sich breit.

Ein hohes Strafmaß und 24 Zeugen

Bei Mission Impossible war es dann allerdings soweit. Eine kleine Änderung am Arrangement, die Thomas uns in die Notenblätter diktiert hatte, sieht nach der zweiten Soloform eine Generalpause vor. Das heißt so viel wie: Der zuletzt gespielte Ton verklingt und alle sind mucksmäuschenstill, bis der Bandleader zum Weitermachen auffordert. In diesem Fall drohte er außerdem eine Strafe an. Wer in die Pause spiele, so Thomas, müsse sich mit drei Kästen Bier und sechs Flaschen Wein freikaufen. Diese Drohung gilt natürlich erst fürs Studio. Im Rückblick auf die Generalprobe sind wir aber zuversichtlich, dass wir uns nach der Aufnahme nicht mit Mineralwasser zufriedengeben müssen. Helmut G., unser Star an der Posaune, ist zur Zeit der Top-Kandidat in den Wettbüros, was ein Überraschungssolo in der Generalpause angeht. Da er außerdem als Weinkenner gilt, zählen wir alle auf ihn.

 

Es wird sogar mit einem gewissen Überschuss an alkoholischen Getränken zu rechnen sein, denn bei Slightly Out Of Tune (Desafinado) gibt es eine ähnliche Konstellation. Der Effekt, der beim Missachten einer Pause entsteht, hängt natürlich vom verwendeten Instrument ab. Bei einer Blockflöte oder einem Sopransaxophon könnte man vielleicht noch so tun, als habe nur der Stuhl gequietscht. Bei einer Posaune wird es schon eng, wie Helmut kurz vorher eindrucksvoll demonstriert hatte. Wenn es sich aber, wie in diesem Fall, um ein Schlagzeug handelt, gibt es gar keinen Verhandlungsspielraum mehr und 24 Zeugen, die alle gegen Oli B. aussagen werden.

Kaffee vom Bandleader

Unser neuer Bassist Daniel W. lockerte die Probe ein wenig auf, indem er quer durchs Foyer marschierte und sich einen Stuhl holte. Dazu muss man wissen, dass eigentlich nur die Saxophone, der Pianist und der Schlagzeuger eine Sitzgenehmigung haben. Der Rest muss stehen. Daniel stellte aber die These auf, dass er im Sitzen entspannter spielen könne, wobei er sich dabei wohlweislich auf den E-Bass beschränkte und wieder aufstand, wenn er auf den Kontrabass wechselte. Trotzdem zeigte sich, dass er die Rechnung ohne den Wirt gemacht hatte. Der Bandleader entwickelte ein lebhaftes Interesse an unserem sitzenden Bassisten, forderte ihn immer mal wieder auf, es sich doch bitte bequem zu machen, bot an, Kaffee zu servieren und spielte so überzeugend in zurückgelehnter Haltung Luftbass, dass Daniel sich doch lieber wieder von seinem Stuhl trennte. Dafür stellte er aber wenig später die Phrasierung der Bassstimme bei Anticipation in Frage. Doch auch diese Diskussion war schnell beendet. "Wenn ich meinen Aufzeichnungen Glauben schenken darf", sagte Thomas, "und ich bin zufällig der Komponist ..." Mehr musste er nicht sagen. Sie sehen: Daniel ist schon nach wenigen Monaten vollständig in der Band angekommen, denn auch, wenn es verrückt klingt: Wer von Thomas so behandelt wird, kann sich seiner Sympathie sicher sein.

Fazit

Gestärkt durch aufmunterndes Feedback unseres Bandleaders gehen wir also entspannt, konzentriert und - ganz wichtig - nicht zaghaft ins Studio. Was dabei herauskommt, wird sicher spannend. Ich werde davon berichten.

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Kommentare: 1
  • #1

    sapbigband (Sonntag, 30 März 2014 18:37)

    Fotos von der CD-Aufnahme gibt es hier zu sehen: http://www.sapbigband.com/fotos/cd-aufnahme-2014/